Zelten im Regen
Christina Walther
Sonnabend, 20. August
Andreas kauft Berge von Brötchen und wir frühstücken alle gemeinsam. Wir räumen schnell die letzten Sachen aus dem Zelt und fangen gegen halb elf an abzubauen.
Ich möchte nichts zerstören und werde zunächst mit so verantwortungsvollen Aufgaben wie Gardinenabnehmen und Vorzelt abfegen betreut. Spätestens beim Faulstreifensäubern sind alle sehr bei der Sache und spekulieren über die Bedeutung des Wortes. Jedenfalls faulen einem beim Halten die Arme ab.
Spinnen, Kellerasseln, Schnaken, Weberknechten und vor allem den Nacktschnecken wird die Wohnung gekündigt; sie werden wohl drüber wegkommen. Ich stelle fest, daß frischer Nacktschneckenschleim erstaunlich hartnäckig ist und sich nur mit Sand von der Plane reiben läßt.
Gegen halb zwei ist endlich alles verstaut und der Wassergraben zugeschüttet. Ein Viermanniglu mag weniger Komfort haben, läßt sich aber auch deutlich schneller auf- und abbauen.
Andreas und ich baden zum ersten und einzigen Mal im Gobenowsee, keiner von uns will die Erfahrung öfter machen. Die Kinder werden eingesammelt, bekleidet und ins Auto gesteckt. Es folgt der Abschied von Ines, Peter und Frau Z., Erstaunen darüber, daß das Auto noch voller ist als auf der Hinfahrt und dann fahren wir los.
Als unser Telefon wieder funktioniert, fühlen wir uns gleich viel zivilisierter. Wir rufen bei Freunden an und beschließen, die beiden in ihrer neuen Wohnung in Berlin zu besuchen. Andreas meint, ich müsse mir doch keine Wegbeschreibung geben lassen; zumindest in Berlin kenne sich das Navisystem doch aus. Da es aber gleich drei Blücherstraßen in der Hauptstadt gibt, erweisen sich Svens Anweisungen als sehr hilfreich.
Von der Seenplatte nach Kreuzberg; abrupter kann ein Urlaubsende kaum sein. Die Großen schwatzen und die Kleinen erweitern ihre sozialen Kompetenzen auf einem überfüllten Spielplatz in der Hasenheide.
Wir fahren viel zu spät los, und als wir gegen elf in Kahla ankommen, sind alle Winnie-der-Pu-Folgen gehört, die letzten zweihundert Kilometer allerdings nur noch von Andreas und mir.
Das Haus steht noch, die Wohnungstür ist intakt. Doch wir werden empfangen von einem schon fast körperlich zu nennenden Gestank. Die Quelle ist kaum zu orten, sosehr hat er sich in der Wohnung verbreitet. Der Inhalt des Windeleimers hatte zwei Wochen Zeit, zu fermentieren und neue Lebensformen zu bilden.
Schließlich sind die potentiellen Biowaffen entsorgt und die Wohnung gelüftet. Die Matratze ist noch vertraut.
Beim Einschlafen denke ich, wenn alle Wäsche gewaschen, alle Dinge verstaut und alle Verluste (so zum Beispiel Johannas Halbschuhe) ersetzt sind, könnten Andreas und ich eigentlich mal Urlaub machen.