Zelten im Regen
Christina Walther
Donnerstag, 11. August
Es regnet immer noch.
Ich spiele mit dem Gedanken, einfach im Schlafsack zu bleiben, dem einzigen warmen Ort in dieser schlimmen Welt. Bestimmt wird irgendwann irgend jemand kommen und sich um die Kinder kümmern. Sophia und Johanna krabbeln zu mir in den Schlafsack, während Andreas, einmal mehr Held und Ernährer, Brötchen holt. Halb zehn sitzen endlich alle am Frühstückstisch.
Danach fahren wir nach Neustrelitz, ins Slawendorf. Es nieselt zwar immer noch, als wir dort ankommen, aber wir haben ja alle Regenjacken. Die Eintrittspreise sind familienfreundlich und die Anlage liebevoll errichtet. Überall kleine Hütten, in denen man slawischen Handwerkstraditionen nachgehen kann. Nur mit dem Specksteinschnitzen bin ich mir nicht so sicher. Aber Authentizität hin oder her, es macht Spaß und ich saue mich mächtig ein.
Sophia läßt keinen Stand aus und kommt mit diversen getöpferten Tieren, einem geflochtenen Weidenkörbchen, einer gezogenen Kerze und einem gewebten Armband an. Johanna will natürlich auch so ein Bändchen haben. Am Anfang muß ich mit helfen, aber irgendwann hat Johanna den Dreh raus. Eigentlich ganz einfach, mehr als ein Brettchen mit Nägeln braucht man nicht. Leider verliert Johanna ihr Armband auch gleich wieder.
Nach Brot und Wurst fahren wir in die Innenstadt. Es ist zu erkennen, daß die Stadt nicht gewachsen, sondern am Reißbrett entstanden ist. Ein zentraler runder Platz, von dem acht Straßen abgehen, dazu eine Kirche wie aus dem Architekturlehrbuch und ein Rathaus mit gleichen Proportionen. Doch die Stadt ist belebt - trotz immer noch trüben Wetters.
Wir kaufen Gummistiefel für Andreas und einem warmen Schlafsack für Sophia. Zu ihrem großen Kummer sieht sie vom Kauf eines batteriebetriebenen Bootes ab. Sie hätte zwar die Erlaubnis, es auf dem Gobenowsee fahren zu lassen, nicht jedoch in der elterlichen Badewanne.
Alle großen und kleinen Kinder kriegen ein Eis; ist ja auch egal, wenn es gerade mal 16° C sind. Nun wollen wir noch schnell die Kirche anschauen. Leider schließt sie schon um fünf, so daß nur Sophia und ich auf den Turm steigen. Wir müssen uns ziemlich beeilen. Oben bleibt lediglich Zeit für ein Zielfoto, für alles andere wäre es auch zu naß und zu windig.
Danach habe ich Muskelkater und wir fahren mit dem Auto zum Neustrelitzer Schloßpark. Das Schloß wurde noch in den letzten Kriegstagen durch Brandstiftung zerstört. Nun steht dort eine „temporäre Architektur”, d.h. ein Baugerüst mit Planen in den Proportionen des ehemaligen Schlosses.
Drinnen werden lautstark Vorbereitungen für eine Vorstellung des Neustrelitzer Theaters getroffen. Ein Stahlgerüst in den Abmessungen soll wohl als Aussichtsturm auf den recht hübschen Park dienen, ist aber genauso geschlossen wir die Schloßkirche in Form einer französischen gotischen Kirche. Alles in allem jede Menge „So-als-ob”.
So recht hat keiner Lust, in das kalte, klamme Zelt zurückzukehren. Wir machen in Wesenberg Station, wo Sophia endlich ein HAD-Tuch kauft- rot mit Pferden. Ihr vorheriges -blau mit Pferden- hat sie in der Schule versielt. Die Kinder dürfen lange auf dem Spielplatz toben und Andreas und ich machen einen Spaziergang um die Burg.
Halb acht fahren wir endlich zurück. Es gibt Büchsensuppe; sogar Johanna ißt irgendwann mit. Sophia liest ein wenig, die Eltern spielen Karten. Immerhin hat es den halben Tag nicht geregnet.