Zelten im Regen

Christina Walther

Dienstag, 9. August

Ich steige (das einzige mal während des Urlaubs) als Erste aus dem Schlafsack und mache mich auf den Weg nach Wesenberg, zum Zahnarzt. Bei der Übergabe der Krankenkassenkarte passiert das schon oft Erlebte und trotzdem immer wieder als geschmacklos Empfundene. Kaum erblickt die Sprechstundenhilfe Doktortitel, wird ihr Ton um drei Oktaven freundlicher. Der Zahnarzt setzt noch einen drauf. Mit „Nicht Frau W., sondern Frau Doktor W!” bittet er mich ins Behandlungszimmer. Er ist trotzdem ganz nett; während der Behandlung plaudert er aus seinem Leben und preist die Vorzüge des Lebens in Wesenberg . Schließlich ist auch der Zahn wieder versorgt und ich komme gerade recht zum Frühstück.

Andreas betrachtet es als ureigene Aufgabe, die Familie allmorgendlich mit Kohlenhydraten zu versorgen und war der Zweite an der Verkaufsstelle.

Der Erste muß bereits eine halbe Stunde eher dagewesen sein und wie wir später mitbekommen, sehr bedacht auf das tägliche Brötchenerstkaufsrecht sein. Es soll uns egal sein, solange er für uns Brötchen übrigläßt, und so frühstücken wir sehr ausführlich.

Beim gemeinsamen Abwasch stellen wir fest, daß uns das Fit abhanden gekommen ist. Wir beschließen, erst einmal die Gegend zu erkunden und am See entlang nach Osten zu wandern.

Sophia erbost sich immer wieder über ihre kleinen Schwestern, die laut schreien und singen und alle Tiere verscheuchen. Immerhin sind am Weg viele Ameisenhaufen, die ganz genau beobachtet werden. Sogar Emilia findet das Gewusel zumindest sekundenweise interessant.

Es beginnt zu regnen und somit der Praxistest für die neu erworbene Regenbekleidung. Ich bin ganz zufrieden; da ich eine Herrenjacke kaufte, sind die Ärmel lang genug. Emilia wirft sich mehrfach auf den nun etwas schlammigen Waldweg; wir kehren zum Zeltplatz zurück.

Zum Mittag gibt es Reis mit Goulaschsuppe und obwohl auch dies nicht sonderlich schmeckt, haben alle (bis auf Johanna) Hunger und essen alles auf. Wir machen einen langen Mittagsschlaf und essen, was die Verkaufsstelle um vier noch an süßen Teilchen zu bieten hat. Es nennt sich Granatsplitter (welcher Krieg sollte wohl damit gewonnen werden), hat tatsächlich die Form von Eierhandgranaten und die Konsistenz von benutztem Verbandsmaterial. Immerhin ist es süß und kalorienreich und was will man bei 12°C und Dauerregen mehr.

Wir bleiben im Zelt, spielen Halli Galli und Rommee. Emilia, die mit solchen Aktivitäten nichts anfangen kann, wird mit Regenkleidung und Gummistiefel rausgeschickt, was alle Beteiligten als erleichternd empfinden. In den Regenpausen (die gibt es) geht Sophia mit Hanna Enten füttern. Sie entzieht sich sehr schnell der elterlichen Kontrolle und als sie nach zweieinhalb Stunden wieder auftaucht (sie hat den Anglern zugeschaut und eine Rotfeder in der Hand gehabt) ist das Abendessen vorbei. So muß sie allein essen, bekommt aber noch einen extra Pullover und Socken an, damit sie nicht wieder friert.