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WestküsteVierter Tag - Altes und Heiligesweiter

Nach der lange Tour gestern soll es heute mal nicht wieder so spät werden. Wir haben uns eine kleinere Tour nach Norden, am Lake Doo und am Croagh Patrick entlang ausgesucht.

Das Wetter ist besser, leicht windig und immer wieder kommen ein paar Sonnenstrahlen durch. Die kleine Gebirgsstraße kenne ich nun schon und stelle fest, daß auch der Automatik-Wagen ganz gut mit den engen steilen Kurven zurecht kommt. Oder ich mit dem Wagen...

GrünAuch diesmal kommen wir nicht ohne Foto-Stop an den Schafweiden vorbei, aber ich nehme mir schon vor, nicht jedesmal dem Impuls auf die Bremse zu treten nachzugeben. Grün in allen Variationen: vorherrschend das Grünbraun der endlosen Moorwiesen, unterbrochen von dunkelgrünen Sträuchern, glänzendgrünem Binsengras, leuchtendgrünen Rhododendrongewächsen, saftiggrünen Fuchsienhecken, das Rot oft noch ergänzt durch leuchtendgelbe Blumen.

Aasleagh-Falls Nächster Halt also an den Aasleagh-Falls. Das Wetter ist perfekt, sonnig, immer mal vorbeiziehende Wolken; ich fotografiere aus allen Blickwinkeln. Endlich brechen wir auf zum Lake Doo.
Ein riesiger See, eingebettet zwischen steil aufragenden Berghängen, nicht auf Zelluloid zu bannen. Die Schönheit bleibt in der Erinnerung erhalten.

DolmenAuf der Karte ist ein "Megalith Thomb" verzeichnet, den wollen wir uns nicht entgehen lassen. Ausschau haltend nach irgendwelchen großen Dingen, wäre ich fast vorbeigefahren, aber Peter hinter mir hupt kräftig.
In einem Vorgarten ein ca. 2x3 m großer Dolmen, eigentlich nicht sonderlich beeindruckend. Regina rechnet aber, daß die Deckplatte mindestens 2t wiegen müsse und da sehen wir das Gebilde dann doch mit anderen Augen.

Unser nächstes Ziel ist die Kilgeever Abbey. Wir folgen den diesmal zum Glück vorhandenen Wegweisern und gelangen auf einen ruhigen Parkplatz am Fuß eines kleinen Felsens. Wir blicken auf einen Friedhof und weit über das Land bis zu den Bergen auf der anderen Seite der Bucht. Es ist ganz still und friedlich.

Kilgeever AbbeyDie Kinder beginnen als erstes den Felsen zu erklimmen; wir "Alten" betrachten den Friedhof. Anders als bei uns sind die Gräber nicht mit Blumen bepflanzt sondern mit Kies bestreut. Auf den Grabsteinen steht nur der Todestag, manchmal noch das Alter; ganz selten der Geburtstag. Einer Familie sind 3 Kinder gestorben: 7 Jahre das Älteste; 2 Wochen das Jüngste. Still und eindringlich wird uns die Härte des Lebens hier vor Augen geführt.
Am Fuße des Friedhofs liegen die Ruinen der alten Abtei, auch umgeben von vielen Grabsteinen, oft kunstvoll gestaltet, manche aus weißem Marmor.

Kilgeever AbbeyWir öffnen ein altes Eisentor und betreten den uralten Friedhof. Viele Kindergräber fallen uns auf und ich frage mich, wenn diese Menschen schon so wenig zum Leben hatten, wie sie dann das Geld für die aufwendigen Grabmonumente zusammenbekommen haben.
Dieses Land hat genug Platz, auch die alten, vielleicht schon längst vergessenen Toten in Frieden ruhen zu lassen. Manche Grabstätten sind schon vom Gras überwuchert, andere noch gut erhalten. Ob wohl auch hierhin noch jemand kommt, um der Verstorbenen zu gedenken?

Ein kleiner Wasserlauf schlängelt sich durchs Gras, nur zu erkennen durch das weißblaue Blütenband, das seinen Lauf säumt. Auch die Kinder werden hier ruhig. Wir lassen die Stille auf uns wirken, sinnen ein wenig über vergangene Zeiten. Auf dem Rückweg entdeckt Regina zierliche Orchideen am Wegesrand.
Eingedenk der gestrigen Erfahrungen habe ich für heute ein reichliches Picknick eingepackt. Die Kinder müssen selbstverständlich zum Essen auf den Felsen klettern; wir suchen uns einen warmen Stein zum Hinsetzen.

Croagh PatrickWeiter geht es, zum Croagh Patrick.
Mir gefallen die Straßenschilder hier: kein kontrollierbarer Befehl "30!", dessen Nichtbeachten teure Konsequenzen haben kann, sondern eine Bitte: "slow". Nach ein paar Metern dann aber vorsichtshalber noch: "slower". Ich finde es nett.
An der Parkplatzeinfahrt halten wir wie gewohnt Ausschau nach dem Kassiererhäuschen - aber Parken kostet hier noch nichts.

Der Berggipfel ist von Wolken verhüllt; auch ist es schon 15:00, so daß wir den Gipfelsturm nicht in Erwägung ziehen. Aber wenigstens ein Stück weit bis zum Sattel wollen wir den Heiligen Berg beklettern. Bis zur schneeweißen Statue des Heiligen Patrick kommen alle mit, dann machen sich Mutter und Regina mit Conrad wieder auf den Rückweg.

Jan und Georg weit voraus, gefolgt von Peter und Richard, ich bilde mit Katharina und Paul das Schlußlicht. Jahrelange Schreibtischtätigkeit rächt sich hier, Paul kommt mit seinen kurzen Beinen auch noch nicht so schnell voran, aber nach einer Stunde haben wir es auch geschafft. Wir genießen den überwältigenden Blick auf die zahllosen Inselchen in der Westport-Bay. Selbst diese kleinen Stücken Land sind von Mäuerchen durchschnitten und mit Schafen besetzt.

Mehr oder weniger erschöpft, aber hochzufrieden langen wir wieder am Parkplatz an und erlösen die anderen endlich von der Warterei.
Heimwärts geht es durch Westport, einem wunderhübschen, überfüllten Städtchen. Zum Stadtbummel sind die Kinder aber inzwischen zu müde; wir halten nur kurz zum Einkaufen an.

RundturmWenn wir den Rückweg über Nebenstraßen wählen, können wir noch einen alten Rundturm in Aghagower besichtigen. Wir finden glücklich die letzte mögliche Abfahrt dorthin - Straßenschilder sind wohl manchmal Glückssache. Aber mit 5 Kindern an Bord und schon am späten Nachmittag wollen wir keine Versuche ins Unbekannte starten. Die nun wieder beschilderten Straßen sind schon eng genug, aber inzwischen lassen meine Schweißausbrüche beim Gegenverkehr nach. Irgendwie kommt man schon aneinander vorbei und ich fahre sowieso recht langsam, um soviel wie möglich zu sehen.

Es ist ein eigenartiger Ort, in den wir gelangen. Im Zentrum erhebt sich der alte Rundturm, umgeben von einem Friedhof und einem neuen Kirchbau. Von diesem Zentrum aus führen Straßen in alle Richtungen. Dazwischen verstreut ein paar Häuschen, "Paddys Bar" und riesige Friedhöfe. Wir rätseln, ob in diesem Ort alle Verstorbenen der Umgebung beerdigt werden. Kein Mensch ist zu sehen, bis auf einen Bauern, der mit dem Trecker einen Strohballen nach dem anderen auf sein Gehöft holt.

Nach Studieren aller Wegweiser entscheiden wir uns schließlich für eine Straße. Es ist dann zwar doch nicht die, welche wir uns auf der Karte ausgesucht hatten, aber die Richtung stimmt so ungefähr. Cordarragh, Croaghrimbeg - so einsam, wie die Ortsnamen klingen, ist es auch auf den Wegen. Das beeindruckendste Stück führt durch die Partry Mountains. Ein riesiges Hochmoor, nicht mehr von Gras bewachsen, endlos braune Fläche. Torfbriketts zum Trocknen gestapelt - wer arbeitet hier in der erdrückenden Einsamkeit? Die Abgeschiedenheit ist absolut, so etwas habe ich noch nicht empfunden. Sonst hat man doch immer wieder Anzeichen von Besiedelung - hier ist einfach nichts.

Einige Kilometer weiter schlängelt sich die Straße wieder abwärts. Es wird wieder grün und ich finde eine Stelle zum Halten. Ich muß raus, ein Stück laufen. Zusammen mit den Kindern rennen wir den Abhang hinauf. Im Tal leuchten die Rhododendronhecken mit ihrem hellen Grün und den rosa Blüten, weiße Schafe sprenkeln die Wiesen.
Der Weg nach Hause zieht sich; wir kommen doch erst gegen 20:00 an. Regina kocht leckeres Hühnerfrikassee, die Kinder spielen noch draußen. Von den längsten Tagen des Jahres würde ich mir etwas mehr wünschen, aber auch an diesem Abend ist der Himmel wieder wolkenverhangen.

verschlungene Wege

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