Dritter Tag - Westküste
Der Morgen beginnt mit Regen, wie auch sonst. Die Kühe schauen desinteressiert zum Küchenfenster und scheren sich offensichtlich nicht um die Herde Zweibeiner.
Irgendwann bekommt man auch mal alle Kinder soweit, daß sie satt gegessen und fertig angezogen im Auto sitzen.
So langsam gewöhne ich mich an das Auto und mache nicht andauernd eine Vollbremsung, weil ich auf die Kupplung treten will.
Wir wollen zur Küste und fahren westwärts, den Regenwolken und dem Wind entgegen. In Finny, dem nächsten kleinen Ort, fällt uns eine recht moderne Kirche auf, die so gar nicht zu dem Baustil hier passen will.
Die Straße schlängelt sich durch verstreute Villages, an den unvermeidlichen Steinmäuerchen entlang, die das ganze Land in Schafweiden unterteilen. Auch wenn das Ausweichen auf solch Straßen mich jedesmal die Luft anhalten läßt, finde ich die blumenüberwucherten Begrenzungen doch sehr schön. Ich fahre recht langsam, weil ich das Stück Aufmerksamkeit, das nicht mit Automatik, Linksverkehr und der engen Straße kämpfen muß, der wunderbaren Landschaft widmen will. Bei dieser Geschwindigkeit wird auch die angeblich kleine Insel zum weiten Land.
Regenschauer wechseln mit Sonnenstrahlen, Schafe starren uns neugierig an und verleiten uns zum Foto-Stop.
In Leenaun, einem kleinen Hafendorf, lassen wir das Auto stehen, laufen ein paar Schritte und gelangen unweigerlich in einen Craft-Shop. Der Verkäufer ist sehr freundlich und macht uns extra das Licht in den Vitrinen an, damit wir vielleicht doch einen Kristallpantoffel oder eine keltische Brosche kaufen. Es bleibt aber bei einem Kühlschrankmagneten, die es in riesiger Auswahl gibt. Ich frage mich, ob diese Vielfalt vielleicht durch den Erfolg des Kühlschrankreisenden begründet ist.
Der Aufenthalt im Laden hat uns vor einem weiteren Regenschauer bewahrt. Bei den Autos wartet ein streichelbedürftiger Hund, den die Kinder natürlich am liebsten adoptieren würden. Als wir aufbrechen, sucht der Hund sich umgehend die nächsten Touristen, das relativiert die Hundebegeisterung wieder.
Kylemore Abbey, in jedem Reiseführer verzeichnet, ziehen wir vor, aus der Ferne zu betrachten. Uns ist heute nicht danach, alte Gemäuer gegen Geld zu belaufen. In Letterfrack merken wir uns den Eingang zum Connemara Nationalpark vor. Ich finde diesen Ortsnamen sehr merkwürdig und lese später, daß die "Einenglischung" der gälischen Ortsbezeichnungen zu solchen Konstrukten geführt hat.
Hinter Moyard suchen wir den Abzweig nach Cleggan aber die ersten beiden Straßen erscheinen uns recht wenig vertrauenswürdig. Zum Glück gibt es noch eine dritte, an der endlich auch ein Wegweiser steht.
Cleggan ist ein hübsches kleines Fischerdorf. Wir stellen die Autos am Straßenrand ab und laufen zum Hafen. Peter erzählt von der Insel Inishboffin und daß er dort gern mal hinmöchte. Die Entscheidung, jetzt dort hin zu fahren oder nicht, wird uns abgenommen, denn die Fähre hat vor einer Viertelstunde abgelegt und 2 weitere Stunden warten wollen wir nicht. Also laufen wir noch ein wenig durch den kleinen Hafen, beäugen Hummerkörbe und schauen einem Fischer zu, wie er den Fang des Vormittags aus seinem Netz holt.
Hinter Cleggan wollen wir irgendwie nach Norden, um die kleine Halbinsel zu umrunden. Ohne Wegweiser ist es halt Glückssache. Ich biege zu zeitig ab und wir landen in einer Traumlandschaft: Kleine mystische Steingebilde, leider weit inmitten eingezäunter Weiden. Eine schneeweiße Bucht, das azurblaue Meer hat sich mit der Ebbe zurückgezogen. Die Straße ist so schmal, daß wir nicht halten können, also fahren wir auf die Handvoll Häuser zu, in der Hoffnung, dort einen Platz für die Autos zu finden. Hier enden die Straße und das Land. Vor einem Gatter stellen wir die Autos ab, um endlich zu dieser Traumbucht zu laufen. Die Spielemacher von Riven müssen von so einer Landschaft inspiriert worden sein.
Die Wiesen sind voller Wasserlöcher, in denen sich der im Moment wieder blaue Himmel spiegelt. Die Kinder laufen schon weit voraus, über den vom Wasser freigegebenen Sand zum Meer, während ich noch mit den Objektiven hantiere und versuche, wenigstens etwas von diesem Zauber auf den Film zu bannen.
Von den Weiden her kommt ein Mann mit einem Hund in unsere Richtung gelaufen. Sein Schritt ist rüstig, doch als er näher kommt, sehe ich, daß es ein alter Mann ist.
Dem ersten Hallo folgt das Gespräch übers Wetter: er erzählt mir, daß es der schrecklichste Sommer seit Jahren sei, so naß und kalt, der Torf trocknet nicht, dann gibt es nichts zu heizen für den Winter, woraufhin ich ihm erzähle, daß wir vor 2 Wochen in Deutschland über 30° hatten, es jetzt aber auch kalt sei.
Aus Deutschland kommen wir also, seine Nachbarn hätten Feriengäste aus Krefeld, ob das in unserer Nähe sei. Ach ja, und Deutschland hätte es ja leider doch nicht geschafft im Endspiel; ich bedauere Irland - ach was, wenn die weitergekommen wären, dann wären die Iren "crazy" geworden.
Wann kommt die Flut, weil die Kinder schon sehr weit draußen sind?
Das Wasser geht noch, wir haben noch viel Zeit.
Ich sage, daß ich mich eigentlich verfahren habe, "the wrong street". "No, no, this is the most beautiful beach here, this was the right street." Da hat er unbedingt recht.
So geht es noch ein kleines Weilchen über dies und das, bis wir uns verabschieden.
Ich hab mein kleines Stück Irland hier gefunden.
Das Meer hat eine faszinierende Farbe: grün, blau, türkis, kaum zu beschreiben. Die Kinder suchen Muscheln und finden auch tote Krabben dabei. Ich hoffe nur, daß die nicht auch mit nach Hause müssen. Der Hund ist uns hinterhergerannt und läßt sich von jedem streicheln. Das hatten wir doch heute schon ...
Wir wandern an der Küste entlang zurück. Hinter jeder Biegung erwartet uns ein neuer wunderschöner Ausblick. An ein Mäuerchen gelehnt rottet eine Tiefkühltruhe vor sich hin, wir müssen wieder an den Kühlschrankreisenden denken.
Weiter geht es an der Küste entlang. Kaum sitzen wir im Auto, regnet es wieder für ein Weilchen.
Der nächste stop ist in Clifden, einem hübschen Städtchen, ganz offensichtlich schon vom Tourismus geprägt. Craftshops, Restaurants und Pubs wechseln sich ab. Die Kinder haben Hunger und wir geben dem Drängeln nach und steuern ein fastfood-Restaurant im Burger-Look an.
Für ein paar Burger und Pommes löhnen wir 35 Euro. Wir fragen uns, wer all die kleinen und großen Restaurants bevölkert. Aber auch im nächstgelegenen Supermarkt lassen wir etliches Geld; Brot, Butter, Eier, Getränke - viel mehr holen wir gar nicht. Essen in Irland ist teuer.
Die Straßenschilder sind nicht immer auf den ersten Blick zu deuten, so verfahren wir uns einmal, bevor wir die richtige Straße zur Küste finden. Wir kommen durch Ballyconnely, einem wunderhübschen Dorf. Schafe an und auf der Straße und immer wieder ein anderer Ausblick auf die See. An einer Stelle, wo das Meer fast bis an die Straße herankommt, halten wir an, um zum Wasser zu laufen.
Die rauhe Landschaft der Connemara fasziniert mich: endlose Hochmoore, übersät mit wild hingeworfenen Steinen, dazwischen Wasserlöcher in allen Größen. Eine Einöde, von Menschen geschaffen. Wir fahren auf den Roundstone zu, der sich düster über das Land erhebt. Ich bedauere es, hier durchzufahren, ohne anzuhalten, aber unsere kleinsten Mitreisenden finden das gar nicht spannend und wollen weiter. Irgendwo ein Pub in leuchtenden Farben, freundlich und einladend, aber mit 10 Leuten vermutlich kaum zu bezahlen. Noch ein Abstecher ans Meer. Diesmal bleibe ich im Auto und lasse die Bilder der vergangenen Stunden noch einmal vorbeiziehen.
Weiter geht es an der Küste entlang, aber irgendwann kann ich nicht mehr. Die Augen und der Sinn fließen über. Ich kürze die Tour ab und biege ab nach Hause. Regina bedauert es ein wenig, aber der Heimweg ist noch lang und für die Kleinen ist es auch spät genug.