Rollenspiel zu Silvester 2004
In orkischer Gefangenschaft
Langsam werden die Gefährten wach. Der Raum ist dunkel und feucht. Vor allem die empfindlichen Elfennasen nehmen widerwärtigen Orkgestank wahr. Aber wem gehören all die anderen Arme und Beine? Wenn doch nur irgend jemand einen Lichtzauber beherrschen würde, denn das eigene Gepäck mit Feuerzeug, Fackeln, Proviant und vertrauten Erinnerungsstücken ist leider verschwunden. Auch AlHamra, tätig in Herstellung und Vertrieb höchst spezieller Elixiere, muss feststellen, daß all ihre liebgewonnenen Amulette, Schutzzauber und Ritualbeutelchen weg sind. Selbst die Liebestränke. Und die Zimbeln.
Tatsächlich ist der Magier Thelostes nicht ganz unfähig, und so haben die Zellengenossen schließlich Licht und Zeit, sich erst einmal gründlich in Augenschein zu nehmen. Ein buntgewürfelter Haufen hat sich da versammelt: Runkel, Grochnâk, Firunkel und Morgad sehen zwar wie Kämpfer aus (wenigstens etwas, was Mensch, Halbork, Elf und Zwerg eint) aber ohne Waffe und Schild fühlen sie sich noch unbehaglicher als die anderen. Auch die Elfen Miraculix und Gloria leiden in den dunklen Kellern, so fern von Wald und Sonnenlicht. Als Zwerg stört dies Serafim nicht, und so beginnt er, den Zellengenossen dumme Streiche zu spielen. Nur Radegunde und Tutz, die Hobbits, wirken seltsam unbeteiligt in dem Glauben, daß alles gut wird. Radegunde wollte sowieso nur Kräuter sammeln und meint, da sie kein Held sei, würden die Abenteuer auch nur anderen passieren.
Aber es passiert etwas. Die Zellentür öffnet sich und ein Ork stapft herein, knallt eine Schüssel mit Igitt und einen Krug fauligen Wassers auf den Zellenboden und überläßt die Gefangenen ihrem Schicksal.
Die Zeit vergeht schnell mit Diskussionen, ob man das essen und wie man ausbrechen könne, so daß beim zweiten Besuch des Orks immer noch kein Plan zur Flucht existiert.
Auch beim dritten Besuch nicht, und entsprechend chaotisch und unkoordiniert verläuft die Befreiungsaktion. Die einen kämpfen unerschrocken mit bloßen Händen, während die anderen bereits raus rennen und AlHamra durch hysterisches Geschrei noch mehr Wachen herbeiruft.
Hier mußte die Spielleiterin schnell improvisieren, ginge es nach den Regeln zu, wären acht Orks zur Stelle und die Gefangenen demnächst tot; mit soviel Dummheit kann doch keiner rechnen. Aber die Helden sollten ja nicht gleich zu Beginn sterben, so werden die tapferen Kämpfer mehr und die anderen weniger verwundet und die Heiler konnten sich anschließend ebenfalls nützlich machen.
Sogleich werden Zellenschlüssel gefunden und Rüstungen verteilt, wobei Tutz der Hobbit sich sehr übergangen fühlt und gar nicht versteht, dass die großen Krieger Runkel und Grochnâk sie für sich reklamieren.
Während die einen noch diskutieren, erkunden die anderen bereits den Kerkergang mit den angrenzenden Räumen. Dabei wird noch der eine oder andere Ork getroffen und mit immer mehr erbeuteten Waffen überwältigt. Spätestens nachdem die Waffenkammer gefunden ist, können sich alle mehr oder weniger adäquat mit Schwertern, Keulen und Bögen bewaffnen, nur die Magier brummeln, denn Zauberstäbe gibt es natürlich keine.
Die weniger empfindsamen Gemüter töten gleich noch ein paar schlafende Orks und finden in ihren Kisten Fackeln, Feuerzeug, Äxte, Mäntel, Stoffe und Seile. Sogar ein paar Taler liegen da noch. (Um wenigstens ein wenig Life-Charakter in das Rollenspiel zu bringen, hatten meine Schwester und ich ein paar Stoffrüstungen und Mäntel genäht und so sahen nach und nach alle Mitspieler ein wenig abenteuerlich aus. Zu dumm, das viertel eins tatsächlich noch jemand an der Glastür klopfte...)
In einer Zelle finden die Helden Armin Kopf, einen Mitgefangenen, der sich schon länger in orkischer Logis befindet und entsprechend krank und geschwächt ist. Er hat einen letzten Wunsch an unsere Helden: Sie mögen doch bitte einen Brief an seine geliebte Rosabella in Feinstetten überbringen.
Die Helden haben nun einen Auftrag, werden mutiger und beginnen nach dem Ausgang zu suchen. Die geheime Kammer mit dem Mechanismus zum Auslösen des Förderkorbes wird nicht entdeckt, so müssen sie halt zur Vordertür hinaus. Zu dumm, dass sich da immer noch ein paar Orks rumtreiben, doch die sind dank der Waffen und besserer Absprache schnell überwältigt. Die Küche wird geplündert, die Mägen gefüllt, sogar ein wenig Proviant bleibt noch übrig. Doch wo ist der Schlüssel für die verriegelte und verschlossene Vordertür?
Ein Raum ist noch übrig... Grochnâk ist der erste, der einen Blick hineinwagt. Er erblickt einen Orkhauptmann mit glasigem Blick und einer leeren Flasche „AlHamras besonders feurige Leidenschaft EXTRA” in der Hand… und hat ihn auch sogleich am Hals.
Es ist wenig über das Fortpflanzungsverhalten von Orks bekannt. Und obwohl Grochnâk bestimmt nichts darüber erfahren möchte, muss er nun Liebesschwüre, Umarmungen, Komplimente für sein wundervolles Haar und... nein, so genau wollen wir lieber nicht hinsehen... über sich ergehen lassen. Währenddessen gelingt es Serafim und Morgath, dem liebestollen Orkhauptmann die Schlüssel zu stehlen und ein paar Heiltränke zu ergattern; die Magier holen noch schnell ihre Stäbe aus dem Waffenregal, bevor der Orkhauptmann eingeschlossen und seinem hormongesteuerten Schicksal überlassen wird.
Alle sind erleichtert, als sie zur Tür heraustreten, nur AlHamra trauert um ihre Geschäftsgrundlage und wundert sich im Stillen, dass ihre Elixiere sogar wirkten, zumindest bei Orks.
Kaum in Freiheit, verabschiedet sich Radegunde, murmelt etwas von Kräutersammeln und verschwindet im Wald. Die anderen ziehen den Waldweg entlang, bis sie in der Ferne ein Haus sehen.